Wir glauben heute, dass Michel Djerzinski in Irland gestorben ist, eben dort, wo er beschlossen hatte, seine letzten Lebensjahre zu verbringen. Wir glauben weiterhin, dass er, nachdem seine Arbeiten beendet waren, beschlossen hat, zu sterben, da ihn keinerlei menschliche Bande mehr zurückhielt. Zahlreiche Zeugnisse bestätigen seine Faszination für diesen äußersten Zipfel der westlichen Welt, der ständig in wechselhaftes, sanftes Licht getaucht ist, einen Ort, an dem er so gern Spaziergänge unternahm und an dem, wie er in einer seiner letzten Aufzeichnungen schrieb, "Himmel, Licht und Wasser verschmelzen". Wir glauben heute, dass Michel Djerzinski ins Meer gegangen ist.

Michel Houellebecq (Elementarteilchen)

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Julian war nicht mehr da. Ich schrie seinen Namen, ich warf mich gegen die Menge; das Licht dieses Tages schien zu erlöschen, alles Licht überhaupt, als hätte ich getötet und wäre zum Tode verurteilt. Meine Stimme überschlug sich, ich rief jetzt um Hilfe, und deutsche Urlauber eilten herbei. Ich sah in rote Gesichter, ich hörte beruhigende Worte, ja unterschied sogar Dialekte. Dann stürzte ich mich erneut in den Strom, der mir Julian genommen hatte. Die immer noch vorwärtsdrängenden Menschen, taub gegenüber meinem Schreien und Rufen, rissen mich vorwärts. Weiter und weiter schienen sich mich zu entfernen von Julian, schon stellte ich mir mein Leben ohne ihn vor [...]. 'Gib ihn mir zurück', rief ich einem Gott, der mir sonst gleichgültig war, zu, bereit, dafür jeden Schmerz auszuhalten. Nach Atem ringend, blieb ich schließlich im Bazar der Fleischer stehen, sekundenlang abgelenkt von dem Aufruhr in mir. Ich sah Klumpen von Fliegen auf Innereien, ich sah Ziegenköpfe auf altem Zeitungspapier. Ich sah die Fliegen, wie sie mir entgegenschwirrten, und spürte sie auf meiner nassen Haut; ich rannte, um mich schlagend, weiter. 

Der Sandmann (Bodo Kirchhoff)