Gefunden hatte ihn ein Matrose, der Danny Boodmann hieß. Er fand ihn eines Morgens, als schon alle von Bord gegangen waren, in Boston, er fand ihn in einem Pappkarton. Er wird so an die zehn Tage alt gewesen sein, älter nicht. Er weinte auch gar nicht, er lag still da, mit offenen Augen, in dieser großen Schachtel. Man hatte ihn im Ballsaal der ersten Klasse abgestellt. Auf dem Klavier. Allerdings sah er nicht aus wie ein Säugling erster Klasse. So etwas machten normalerweise die Auswanderer. Heimlich ein Kind zur Welt bringen, irgendwo an Deck, und es dann da aussetzen. Aber bestimmt nicht aus Bosheit. Das war Not, bitterste Not.

Novecento (Alessandro Baricco)

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Meine Augen sind schön, wie die Augen aller Frauen in dieser Stadt, und benötigen keine Brille. Sie sehen den Mann, den ich einmal verehrt habe, sogar bei Dunkelheit und auf Entfernung. Ich sehe jeden seiner Schritte und werde für jeden seiner Schritte ein Wort finden, kein großes dankbares Wort, eher ein kleines genaues, störend wie ein Spreißel. Und wenn es heute tausend Schritte sind, die er hier mit seinem Kind unternimmt, werden es morgen tausend Worte sein, sie ihm den Schlaf rauben. [...]. Ich füge die Scherben eines Spiegels zusammen und entferne darauf jeden Fleck. Der Mann, der mir nachgereist ist, soll nicht unnötig leiden; ich verlange bloß, dass auch er sieht, ganz am Ende vielleicht sogar mich.

Der Sandmann (Bodo Kirchhoff)